Erwerbsmöglichkeiten und Gewerbe

 

Landwirtschaft

 

Vor der Industrialisierung hatte die Landwirtschaft noch eine ganz andere Bedeutung für das Auskommen der Menschen als heute. Nahezu jeder arbeitete in der Landwirtschaft. Auch diejenigen, die einem anderen Beruf nachgingen (viele arbeiteten zum Beispiel auf den Gütern), hatten zumindestens etwas Land und Vieh, da die Löhne ja sehr niedrig waren.

 

Holzhausen kann vom Ursprung her als typisches Kuhbauerndorf bezeichnet werden, denn es gab über fünfzig Kötter- und Brinksitzer­stellen, die über 5 bis 12 Morgen Land verfügten und den Acker mit Kuhgespannen bearbeiteten. In der Regel reichten 5 bis 6 Morgen mit Wiesen zur Haltung einer Kuh und mehrerer Schweine aus. Vielfach wurden noch einige Wiesen an der Weser zum eigenen Land hinzugepachtet.

Hof Steffen, Wittenhusen
Hof Steffen, Wittenhusen

Die Kuhbauern hatten sich in einem Rindviehversicherungsverein gegen Verluste gegenseitig versichert. Dies war notwendig, da eine Kuh, die sich vor Pflug und Wagen spannen ließ, ein wertvoller Besitz war: 1928 kostete solch eine Kuh etwa 300 Reichsmark. Ein 2 - 3 jähriges Ackerpferd kostete im gleichen Zeitraum schon etwa 1.500 Reichsmark. Ein Pferd konnten sich jedoch nur die wenigsten leisten, meist wurde mit der Kuh gepflügt. Im Rindviehversicherungsverein waren für Holzhausen über 100 Kühe versichert.

 

Bauer Kipp, Pflügen eines Stoppelfeldes
Bauer Kipp, Pflügen eines Stoppelfeldes

Zum Pflügen spannten Leute, die nur eine Kuh besaßen, mit dem Nachbarn zusammen an. Kinder und Jugendliche mußten dann 'Kaudrieben', das heißt die Kuh am Halfter fassen und das Gespann genau in der Furche führen. Die Tagesleistung eines Gespanns betrug etwa 1/2 bis 3/4 Morgen. Die Kühe gingen (zum Beispiel zum Grünholen) auch einspännig vor kleineren Wagen in der Scherdeichsel.

 

Den Bauern und Köttern standen die Tagelöhner (Heuerlinge) gegenüber. Diese hatten nur Haus und Garten und mußten darum von den Bauern Land pachten, um ihr Auskommen zu sichern. Meistens reichte 1 Morgen Land aus, um den Lebensunterhalt einer Familie zu bestreiten. Dafür mußte der Heuerling aber von morgens 5 Uhr bis Sonnenuntergang auf dem Hofe des Verpächters arbeiten. Die Heuerlinge erhielten freie Kost sowie 25 Pfennige pro Tag für die Männer und 20 Pfennige pro Tag für die Frauen. Dieses Geld wurde jedoch nicht ausgezahlt, sondern am Ende des Jahres mit der Pacht und, falls der Heuerling keine eigene Kuh hatte und der Bauer für ihn geackert hatte, mit dem Ackergeld verrechnet. Heuerlinge hatte durchweg jeder Bauer, die größeren Höfe hatten zudem noch Knechte und Mägde, die auch auf den Höfen wohnten.

Frauen beim Rübenhacken 1948
Frauen beim Rübenhacken 1948

Im 19. Jahrhundert bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts stand die Ziegenzucht in hoher Blüte. Holzhausen hatte sogar einen regen Ziegenzuchtverein, der insbesondere die Zucht der hornlosen Ziege mit hoher Milchleistung förderte. Vor allem Heuerlinge und Arbeiter hielten sich zwei bis drei Ziegen. Die Milch der Ziegen wurde als Trinkmilch verwendet oder zu Butter verarbeitet.

 

Die Straßengräben wurden von der Gemeinde zu Hütezwecken verpachtet. Aber auch Bauern verpachteten Wiesen und Klee parzellen­weise. Als im vorigen Jahrhundert die Felder noch durch Hecken geteilt waren, boten auch diese für die anspruchslosen Ziegen Hütemöglichkeiten. Das Hüten der Ziegen und Kühe war in der Regel die Aufgabe der Schüler. Zwischendurch wurden dabei die Schularbeiten erledigt. Frauen, die hüteten, nahmen oft ihr Strickzeug mit.

 

Von großer Bedeutung war jahrhundertelang die Haltung von Schweinen. Für die vielköpfigen Familien war es eine Notwendigkeit, im Herbst zwei bis drei Schweine zu schlachten, um damit die Ernährung zu sichern.

 

Ein Schwein war ein wertvoller Besitz: der Verkaufserlös eines fetten Schweines reichte aus, um einen Knecht oder eine Magd ein ganzes Jahr zu entlohnen.

 

In der Regel wurden im Frühjahr Ferkel gekauft und mit Schrot, Kartoffeln und Abfällen aus Haus und Garten gefüttert, bis sie im Herbst ein Schlachtgewicht von drei bis vier Zentnern hatten. Die Schweinemast hatte sich jedoch erst mit der Aufteilung der Hausberger Marken im Jahre 1821 in die Ställe verlegt. Vorher wurden die Tiere von einem Schweinehirten zur Eichelmast in den Wald getrieben. Die damaligen Schweine waren viel robuster und kannten den Stall nur für eine kurze Zeit.

 

Ein Schlachtfest war immer ein besonderes Ereignis. Schon Wochen vor der Schlachtung versuchte jeder auf seine Weise das Gewicht des Schlachtschweines zu schätzen.

 

Schlachtfest 1936 Schlachter: L. Brinkmann Das hier abgebildete Schwein der Familie Rekort wog ausgeschlachtet 453 Pfund und hatte eine 14 cm dicke Speckschicht
Schlachtfest 1936 Schlachter: L. Brinkmann Das hier abgebildete Schwein der Familie Rekort wog ausgeschlachtet 453 Pfund und hatte eine 14 cm dicke Speckschicht

Geschlachtet wurde zumeist zuhause von Hausschlachtern. Da die Hausschlachtung ein Saisongeschäft war, war der Hausschlachter oft gleichzeitig Maurer. So hatte er das ganze Jahr über Arbeit: im Sommer arbeitete er als Maurer, im Winter als Schlachter.

 

Hausschlachter waren nie zimperlich und manche junge Frau, die sich beim Blutrühren zierte, erhielt einen Rüffel. Überhaupt ging es in der Vergangenheit beim Schlachten recht rauh zu. Erst später benutzte man Schlagbolzen und danach Schießgeräte zum Betäuben.

 

Wenn dann das Schwein mit heißem Wasser in einem Trog abgebrüht war und sauber an der Leiter hing, wurde die Fleischbeschau durchgeführt. Am nächsten Tag begann das Wursten. Auch hier kommandierte der Schlachter lautstark die vielen Helfer. Zerteilen, Mett durchdrehen und Würstestopfen war Frauenarbeit. Die Kinder mußten 'Därme utstriepen'.

 

Neben Mettwurst, Kohlwurst, Leberwurst und Blutwurst legten viele Leute Wert auf eine möglichst große Anzahl von Brägenwürsten. Diese mit Mehl gestreckten Würste eigneten sich besonders für den Eintopf. Kinder erhielten eine kleine 'Pingelwurst'.

 

Den Abschluß bildete das 'Stippgrüttekooken'. Mit einer 'Laute' mußte diese stundenlang gerührt werden, während sie kochte. Die Stippgrütze und das Schmalz wurden in Schalen und Steintöpfen abgefüllt und dienten monatelang als Brotaufstrich. Auch die Mett­würste reichten fast für ein Jahr und selbst der dann leicht ranzig gewordene Speck kam noch zur Erntezeit in den Bohneneintopf. Schinken, der im Trog gepökelt wurde, hielt sich ebenfalls recht lange.

 

Neben Ziegen, Kühen und Schweinen hielten fast alle Bewohner Hühner. Die korbgeflochtenen Nester befanden sich an der Deele. Im Frühjahr sah man die Glucken mit ihren Küken auf dem Hof laufen. Die Hühner wurden zum Eierlegen behalten, die Hähnchen gelangten nach und nach in den Kochtopf. Da die Hühner frei herumliefen, gab es so manches Mal Ärger wegen zerkratzter Beete.

 

Auch die Gänsezucht war weit verbreitet. Allmonatlich wurde ein Gänsemarkt abgehalten - der Name 'Gänsemarkt' ist auch heute noch als Straßenname für den Platz des alten Gänsemarktes erhalten.

 

Besonders harte und körperlich schwere Arbeit erwartete die Bauern in der Getreideernte. Das Getreide, überwiegend Roggen, wurde mit der Hand gemäht. Ein Schnitter schaffte drei bis vier Morgen am Tag. Zu einem Schnitter gehörten zwei Frauen als Aufzieher und Binder. Das Getreide wurde zu Garben zusammengebunden, die dann von Kindern zu Hocken zusammengetragen wurden. So war eine Tagesleistung von 50 - 60 Hocken zu 20 Garben möglich.

 

Geschlachtet wurde zumeist zuhause von Hausschlachtern. Da die Hausschlachtung ein Saisongeschäft war, war der Hausschlachter oft gleichzeitig Maurer. So hatte er das ganze Jahr über Arbeit: im Sommer arbeitete er als Maurer, im Winter als Schlachter.
Geschlachtet wurde zumeist zuhause von Hausschlachtern. Da die Hausschlachtung ein Saisongeschäft war, war der Hausschlachter oft gleichzeitig Maurer. So hatte er das ganze Jahr über Arbeit: im Sommer arbeitete er als Maurer, im Winter als Schlachter.
Bauer Nagel beim Mähen des Getreides um 1950
Bauer Nagel beim Mähen des Getreides um 1950
Einfuhr des Getreides
Einfuhr des Getreides
Dreschen des Getreides um 1920
Dreschen des Getreides um 1920

In den Hocken mußte das Getreide nun trocknen. Danach wurden die Garben mit dem Leiterwagen eingefahren und mit der Forke auf den Hausboden oder in die Scheune verfrachtet.

 

Die Erträge waren, bevor sich künstliche Dünger, verbesserte Acker­geräte und besseres Saatgut durchsetzen konnten, nicht sehr hoch. So suchten auf den abgeernteten Feldern noch Kinder und Erwachsene nach abgefallenen Ähren. Diese 'Sangensäuker' fütterten mit ihren Funden ihr Geflügel.

 

Das eingefahrene Getreide wurde im Winter auf der Deele mit dem Flegel ausgedroschen. Auch das mußte gelernt sein, denn es wurde im Takt geschlagen. Bei drei Flegeln zum Beispiel wurde der `Sülfdritte´ geschlagen. So hatten alle verschiedenen Taktarten ihren Namen. Mit einer Schwinge trennte man die Spreu vom Korn, indem das Dreschgut im Winde stehend in die Luft geworfen wurde. Später übernahm diese Arbeit die Wahmühle.

 

Das damals gebräuchliche Getreidemaß war ein Himpten. Das entspricht etwa 64 Pfund.

 

Die Getreideernte wurde mit Hilfe der Technik immer mehr ver­einfacht. Zuerst wurden von Pferden gezogene Mähmaschinen eingesetzt, später dann Bindemäher. Auch das Dreschen erfolgte später nicht mehr von Hand, sondern mit dampfbetriebenen Dreschmaschinen. Diese Technik wurde dann später von den Mähdreschern abgelöst, welche alle Aufgaben in einem Arbeitsgang erledigen können.

 

In Holzhausen stand auch das Spinnen und Weben in hoher Blüte. Zu diesem Zwecke baute fast jeder Haushalt mindestens ein Spind Flachs an. Dieser wurde nach der Reife mit der Hand gezogen und in Bündeln an den Deelen zum Trocknen aufgehängt. Der Samen wurde mit der Hand abgestreift. Nach dem Trocknen kam der Flachs in die Röte zum Aufweichen. Danach wurde er nochmals zum Trocknen ausgelegt. Damit sich der Bast mit dem `Braken´ besser von der Faser trennen ließ, wurde er im Backofen vollständig getrocknet. Mit dem Hechel wurden die Fasern dann bearbeitet und zur Docke gebunden. Danach konnten die Fasern zu Fäden versponnen werden. Je feiner das Leinen war, desto wertvoller waren die Tücher und die Wäsche, die dann an der Sonne gebleicht wurden.

 

Doch der Verkauf von Leinen war schließlich nicht mehr rentabel: Nachdem 1852 in Bielefeld die erste moderne Spinnerei erbaut worden war, verfielen die Preise.

 

Eine Winterbeschäftigung für die Bauern war das Körbeflechten und Besenbinden. An den sumpfigen Wiesenrändern wuchsen die schnell­wüchsigen Kopfweiden, die das Material für die Körbe lieferten.